Das einstige, wohl
um 1200 gegründete Straßendorf Mockau wird durch den Verlauf der heutigen Kieler
Straße zwischen der Kreuzung mit der Tauchaer Straße im Norden und der
Straßenbiegung an der Einmündung der Samuel-Lampe-Straße im Süden
gekennzeichnet. Eine Flurkarte aus der Zeit um 1840 verdeutlicht die ehemals
dörfliche Gestalt der alten Ortslage, die sich parallel zur "Alten Hohe Straße",
der Handelsverbindung von Leipzig in Richtung Nordosten, erstreckte: Etwa in der
Mitte des Straßenzuges wird durch die wichtigsten Gebäude eine zentrumsartige
Situation geschaffen. Die Kirche mit dem umgebenden Friedhof befindet sich an
der östlichen Straßenseite, auf dem nördlich angrenzenden Grundstück steht das
kleine Gemeindehaus, und zwischen beiden Gebäuden liegt der Zugang zu dem
zurückgesetzt in der Nähe zum Partheufer angeordneten Rittergut. An beiden
Straßenseiten erstrecken sich die Bauerngüter, deren Zahl vom 16. bis zum 18.
Jahrhundert relativ konstant bei etwa 25 lag, sich jedoch bis zum Jahre 1835
bereits auf 17 verringert hat. Zumeist handelte es sich dabei um Dreiseithöfe
mit seitlich angeordneten Wohnhäusern und Stallungen sowie rückwärtig gelegenen
Scheunen.
Am südlichen Ende der Dorfstraße zweigt an der östlichen Seite die heutige
Hilligerstraße ab, eine Gasse mit Häusleranwesen, welche der Lehnsgutbesitzer
Dr. Abraham Christoph Platz auf dem Areal des 1707 abgebrannten Schindlerschen
Hofes hatte anlegen lassen. Insgesamt sind auf der Karte zehn Häusleranwesen
erkennbar; die Quellen des 18. Jahrhunderts sprechen indessen von zwölf oder
sechzehn, die sich hier einmal befunden haben. Das Dorfareal nördlich des über
die Parthedörfer Neutzsch und Cleuden nach Taucha führenden Weges war
ursprünglich in einer überwiegend gemeinschaftlichen Nutzung: Hier befand sich
der Gasthof, und gegenüber erstreckte sich der sogenannte Dorfgarten, eine Art
Gemeindeanger, an den sich bis zur Parthe der Dorfteich anschloss. Ursprünglich
hatte er anstelle der dem Dorf vorgelagerten Parthewiesen die Funktion des
Angers erfüllt, war aber im 18. Jahrhundert vom Lehnsgut gegen den Verzicht auf
die Einforderung von Fronarbeitsleistungen erworben worden. Zur Infrastruktur
des Dorfes gehörten ferner die in zentraler Lage neben dem Gasthof an der
Kreuzung der Dorfstraße mit dem Tauchaer Weg gelegene Schmiede und das Mühlgut,
das sich am jenseitigen Ende einer langgestreckten, unmittelbar hinter den
Grundstücken von Gasthof und Schmiede ihren Anfang nehmenden Lehmgrube befand.
Nach den Parzellierungen der Hofgrundstücke seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert
und ihrer Überbauung mit viergeschossigen Mietshäusern sind nur noch wenige
Gebäude vorhanden, welche die einstige Dorfstruktur erkennen lassen. Das älteste
Bauwerk des Dorfes ist die Stephanuskirche, ein verputzter Bruchsteinbau des 13.
Jahrhunderts. Trotz des mächtigen, den Bau nach Westen abriegelnden Turmes wird
aufgrund des im Verhältnis zum Langhaus stärkeren Chormauerwerks vermutet, bei
dem einschiffigen Saalbau habe es sich um eine Chorturmkirche gehandelt.
Allerdings stammt der Westturm wahrscheinlich ebenfalls noch aus der
Erbauungszeit, so dass eine allzu dichte Anordnung von zwei Kirchtürmen eher
unwahrscheinlich ist. Das Obergeschoss des Turmes mit seinen abgeschrägten Ecken
und das steil aufsteigende, von Kugeln bekrönte Keildach wurden in spätgotischer
Zeit aufgesetzt. Das Langhaus und der Chor erfuhren im Jahre 1787 einen
durchgreifenden Umbau, indem sie erhöht und ihre Fensteröffnungen vergrößert
wurden. Auch der Innenraum erhielt bei dieser Baumassnahme eine neue
Ausstattung, von der die Wandkanzel hinter dem Altar, die umlaufende Empore und
das Gestühl noch vorhanden sind.
Die heutige Einrichtung stammt weitgehend von einer 1919-24 vorgenommenen
Erneuerung, die Farbfassung von einer 1969-71 vorgenommenen Restaurierung. An
der Ostseite des Chores befindet sich der neue Anbau für die Gemeinde, der 1
99fl93 anstelle der alten Sakristei entstand. Bei deren Abbruch gingen zwei
barocke Grabsteine, die in die Wände eingelassen waren, zugrunde. Vor allem
aufgrund seiner markanten Turmform bildet die Kirche in der Auenlandschaft der
Parthe ein wirkungsvolles Pendant zu der gegenüberliegenden Kirche von
Hohenthekla, der einstigen Mutter- und späteren Schwesterkirche. Von dem
ehemaligen Lehnsgut haben sich östlich der Kirche nur noch Reste erhalten. An
der Straße steht das Eingangstor, das mit seinem spätbarocken Korbbogen, in dem
die Reste einer sandsteingearbeiteten Wappenkartusche zu erkennen sind, den
heute ältesten Bestandteil der Gutanlage darstellt. Die beiden anderen Gebäude
sind nach dem Brand im Jahre 1868 unter Adolph Gontard neu aufgeführt worden.
Hinter der Kirche befindet sich ein langgestreckter zweigeschossiger Flügel,
der die Stallungen, die Gesindestuben und das Gutsverwalterhaus enthielt.
Seitlich davon ist noch das Gontardsche Herrenhaus erhalten, ein kubischer
dreigeschossiger Baukörper, der heute leer steht und dem Verfall preisgegeben
ist. Mit dem übergiebelten, aus Holz errichteten Eingangsvorbau vermittelt es
noch einen repräsentativen Eindruck; rückseitig befindet sich eine Treppe zum
Gutspark mit gusseisernem Geländer. Die Verputzung ist nicht mehr die originale,
der sie aber mit ihrer zurückhaltenden Vertikalgliederung folgt. Der angrenzende
Park, zu dem eine nach 1863 von Gontard auf einer aufgelassenen Hofstelle
angelegte Kastanienallee führt, weist alten Baumbestand auf. Die Erhaltung und
Wiederherstellung, die seitens des Eigentümers angestrebt ist, sollte aufgrund
der historischen Bedeutung, die das Gut für die Entwicklung Mockaus gehabt hat,
ein vorrangiges Ziel in der Pflege des Ortsbildes sein.
Sein weiterer Verfall steht jedoch zu befürchten, zumal durch den jüngst
errichteten Supermarkt, dessen steriler, mit Verbundsteinen gepflasterter
Parkplatz sich auf das Hofgelände des Gutes erstreckt, jedes Bemühen um eine dem
Bestand gerecht werdende Neufassung der Hofanlage ad absurdum führt. Dieser
unsensible Eingriff wirkt umso nachhaltiger, als der ensemblehafte Charakter,
den das Herrenhaus mit den übrigen Gutsgebäuden und der Kirche bildet, auf Dauer
gestört ist. Von einer nach 1868 vorgenommenen Erweiterung des Gutes zeugt eine
Allee, die südlich der Kirche auf dem Gelände einer aufgelassenen Hofstelle
angepflanzt wurde und eine direkte Zufahrt von der Dorfstraße zu den
Parthewiesen markierte. Ein paar Grundstücke weiter südlich hat sich, nördlich
an die Hilligerstraße angrenzend, die letzte vollständige Hofanlage erhalten.
Mit dem um 1870 neu errichteten Wohnhaus, den Wirtschaftsgebäuden, dem
gepflasterten Hofraum und dem alten Baumbestand vermittelt es, wenngleich
ebenfalls leerstehend und zum Verkauf angeboten, noch einen lebhaften Eindruck
von den Dreiseithöfen, welche die einstige Dorfstraße einst säumten. In der
angrenzenden Hilligerstraße ist von den Häusleranwesen des 18. Jahrhunderts
nichts mehr vorhanden, doch ist an der kleinformatigen Wohnbebauung die
ursprüngliche Parzellierung noch erkennbar. Hier wäre darauf zu achten, daß bei
einer eventuellen Neubebauung der zahlreich vorhandenen Baulücken die
Kleinteiligkeit der Bebauungsstruktur beibehalten wird. Um 1860 fand eine erste
Erweiterung des Dorfes in südwestlicher Richtung statt.
An der Nordseite der Leipzig-Tauchaer Landstraße, des heutigen Straßenabschnitts
der Kieler Straße zwischen dem einstigen südlichen Dorfausgang und der Mockauer
Post, entstanden freistehende ein- bis zweigeschossige, teilweise zeittypisch
mit breiten Zwerchgiebeln akzentuierte Arbeiterwohnhäuser, die trotz ihrer
geringen Größe zwei bis vier Wohnungen enthielten. Zu dieser Bebauung gehört
auch der 1871 eröffnete zweite Gasthof Mockaus. Eine weitere Erweiterung fand
nach Norden längs der Stralsunder Straße und der heutigen Simön-Bolivar-Straße
statt, an denen Westseite um die Jahrhundertwende dreigeschossige Mietshäuser
entstanden. Die Überbauung der Dorfanlage mit viergeschossigen Mietshäusern
setzte im Jahre 1893 ein. Vom Gründerzeithaus über das reich gestaltete
Wohngebäude des Jugendstils und den Zwanziger-Jahre-Bau im Stil des Art deco bis
zur schlichten Wohnanlage der dreißiger Jahre sind nahezu alle Stilrichtungen
des städtischen Wohnungsbaus vertreten. Die Dorfstraße wurde, wie noch die
vorhandene ältere Bebauung erkennen läßt, lediglich an ihrer Westseite
verbreitert und begradigt. Doch ist in der Führung der heutigen Kieler Straße
ihr Verlauf noch gut wahrnehmbar. Gleichzeitig mit der Mietshausbebauung an der
Kieler Straße entstanden im Umfeld auch verschiedene Einrichtungen
infrastruktureller Art. Zwischen 1885 und 1905 wurde in mehreren Abschnitten das
Schulgebäude des heutigen Brockhaus-Gymnasiums errichtet. Bei seiner jüngsten
Sanierung erhielt der von der Straße abgerückte Putzbau eine Farbfassung, die
seinem historischen Charakter nicht mehr gerecht wird. Der steinsichtig
gelassene Bruchsteinsockel weist noch darauf hin, daß mit der ursprünglichen
Fassung eine sandsteinfarbene Putzfassade angestrebt worden war, die zudem mit
dem Naturgrün des Schulgartens in einem besseren Einklang gestanden hätte, als
es dem gegenwärtigen, unnatürlich wirkenden Lindgrün der Trepenhausrisalite
möglich ist. Es wäre zu wünschen, wenn bei der gegenüberliegenden, derzeit in
Sanierung befindlichen Turn- und Gymnastikhalle eine angemessenere Farbigkeit
gewonnen werden könnte. In unmittelbarer Nähe zur Schule stehen an der Kieler
Straße die 1927 als Anbau zum ,,Neuen Gasthof" errichteten
,,Walhalla-Lichtspiele". Das seit Jahren leerstehende Filmtheater weist mit
seinem Stufengiebel und dem abgeschrägten Vorbau die kantigen Formen des Art
deco auf. Eine neue Nutzungskonzeption würde zu einer Erhöhung der Attraktivität
des Bereiches der alten Ortslage beitragen und zu-gleich eine Verbindung zu dem
neuen Ortszentrum an der Mockauer Post herstellen. Der Wasserturm westlich der
alten Ortslage entstand 1907/08 nach Plänen des Dresdner Civilingenieurs und
Regierungsbaumeisters Gleitsmann.
Quellen und
Literaturauswahl:
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© PRO LEIPZIG e.V.
im Auftrag des Stadtplanungsamtes, Juli 1999
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